Statistik ersetzt kein Sprachverständnis, wie ein kleiner Test beweist. Lässt man Whatsapp nach Eingabe von „Dieser Text“ freien Lauf, produzieren die aufeinander folgenden Begriffsvorschläge nur Nonsens: „Dieser Text ist, dass ich die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die ich von der Arbeit los.“ Doch der Vorsprung menschlichen Denkens schrumpft.
Sukzessive halten in den Redaktionen dieser Welt schreibende Programme Einzug. Unter dem Stichwort „Robojournalismus“ berichtete Kevin Roose bereits Ende 2015 darüber, wie das Programm Wordsmith mit Rohdaten über Wohnungsverkäufe per Knopfdruck gleich mehrere regional angepasste Immobilienberichte erstellt. Schon zuvor schrieben Quakebots über Erdbeben, andere Systeme konstruieren fehlerfreie polizeiliche Verlautbarungen. Auch die Sportberichterstattung gelingt inzwischen ganz passabel, solange der Anspruch des Lesers nicht über eine simple Auflistung der reinen Fakten hinausgeht. Derlei maschinelles Geschreibsel ist jedoch kaum preisverdächtig. Die Inspiration des Rechners liefert ein klar strukturierter Datensatz, seine Formulierungsgabe beschränkt sich auf regelbasierte Floskelvariationen.
Kognitive Systeme sind eine Illusion – noch
Vielfach kritisieren Experten wie der KI-Veteran Roger Shank, dass derzeit ein irreführender Hype um vermeintlich kognitive Systeme getrieben wird. Wenn auch die ersten Ergebnisse und Anwendungsfälle verblüffen, ist das, was Programme gegenwärtig an Content zu Papier oder auf den Screen bringen, noch lange nicht intelligent. Shank spricht verächtlich vom stupiden „Word Counting“ und ätzt sogar gegen Googles vermeintlich intelligente Suchalgorithmen: „Die Nutzer haben sich Google angepasst, nicht umgekehrt.“
Welches Szenario eröffnet sich jedoch mit fortschreitender künstlicher Intelligenz? Mit Blick auf das Automatisierungspotenzial prognostiziert der diesjährige Forschungsbericht „Digitale Arbeitswelt“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der Medienbranche nur mittelfristig eine Atempause. Werden also in zwanzig Jahren schreibende Algorithmen die heutigen Content-Autoren auf die Straße drängen? Bis dahin ein sicheres Plätzchen, möchte man dank Googles umsichtiger auto-Autos meinen.
Eine Frage der Zeit
Doch Spaß beiseite. Die Frage sei erlaubt, ob Systeme in absehbarer Zeit mit mehr Rechenpower und besseren Algorithmen zielgruppengerechten Content eigenständig recherchieren, textlich aufbereiten und aussteuern können. Langfristig lautet die Antwort darauf schlicht „ja“. Im englischsprachigen Raum wird das vermutlich früher als in der DACH-Region klappen, was dem komplexeren Satzbau der deutschen Sprache wahlweise geschuldet oder zu verdanken ist. Doch ungeachtet dieser Feinheiten sind ausreichend intelligente Content-Maschinen eine Frage der Rechenleistung. In deren Ausbau wird fortwährend massiv investiert, während sich der Erlös in Form von Rechenoperationen pro eingesetztem Euro von Jahr zu Jahr verdoppelt. Die digitale Content-Disruption ist nur eine Frage der Zeit.
Die Weichen dafür werden bereits gestellt, etwa von Prof. Dr. Hans Uszkoreit, Leiter des Language Technology Lab am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. „Obwohl die gelungene Simulation menschlicher Sprachkompetenz in nächster Zeit nicht zu erwarten ist, verfolgen Forscher derzeit zahlreiche kurzfristig realisierbare Ansätze“, ist der Webseite des Instituts zu entnehmen. Zu diesen allernächsten Entwicklungsschritten rechnen die KI-Forscher hauptsächlich das Design, die Realisierung und der Betrieb von Systemen, die den Alltag erleichtern: die Grammatikprüfung in Textverarbeitungsprogrammen, die automatische E-Mailsortierung und Antwortgenerierung, das Kategorisieren und das inhaltliche Zusammenfassen von Dokumenten und zudem Systeme, die spezifische Informationen aus großen Textmengen extrahieren. Bereits diese Art sprachtechnologischer Arbeit umfasse zahlreiche Herausforderungen, so die Wissenschaftler: „von der Untersuchung des menschlichen Sprechens und Denkens über die Entwicklung neuartiger verarbeitender Techniken bis hin zur Vermarktung profitabler sprachtechnologischer Produkte.“
Auch wenn die Content-kreierende KI noch ein bisschen auf sich warten lässt, ist es sicherlich fehl am Platze, die derzeitige Beschränktheit aktueller Content-Erstellungsprogramme visionslos zu unterstreichen. Diese konservative Haltung mag seriös anmuten, unterschlägt aber gleichzeitig die Möglichkeiten der künftigen technischen Entwicklung und führt zur zweifelsfrei unseriösen Schlussfolgerung, alles bliebe so, wie es ist. Wenn allerdings künstliche Intelligenz so ausgereift ist, dass sie Romane, Nachrichten und Gedichte liefern kann, dann sind die Heerscharen arbeitsloser Autoren gewiss das kleinste gesellschaftliche Problem.
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