Menschen scheuen neue Prozesse und neue Denkmuster – von neuen Tools ganz zu schweigen. Unternehmen und Abteilungen, die sich als Content-Produzenten neu erfinden wollen, stehen darum vor einer mittleren Mammutaufgabe, weiß der Berliner Change-Berater Felix Rußwinkel.
„Aller Anfang ist schwer“. „Früher war alles besser.“ „Haben wir immer so gemacht.“ Diese und andere geflügelte Worte begegnen mir in Change-Projekten regelmäßig. Auch wenn ich bei solchen Floskeln inzwischen nur noch mit halbem Ohr hinhöre, verstehe ich die betroffenen Kolleginnen und Kollegen sehr gut, denn es stimmt. Wandel fällt schwer. So schwer, dass selbst der Branchen-Insider Harry Warner (der älteste der vier Warner-Brothers) der Legende nach zu einer bizarren Fehleinschätzung kam. Noch im Jahr 1927 befand er über den Tonfilm: „Who in hell wants to hear an actor talk?”
Wenn ich heute manche meiner Ansprechpartner in Unternehmen höre, die sich fragen, wer zum Teufel denn den ganzen Content-Kram braucht, dann klingt das zumindest in meinen Ohren sehr verdächtig nach Stummfilm-Stillstand.
Die Theorie des Wandels
Was genau Content-Produktion und das Management redaktioneller Prozesse rein formal ausmacht, haben sie in den vorhergehenden Artikeln detailliert erfahren können. Doch obwohl sie als Leser jetzt im Bilde sind und sich einfach an die Implementierung machen könnten, besteht die Gefahr, dass zunächst die Kolleginnen und Kollegen nicht mitziehen und spätestens nach wenigen Wochen auch ihnen selbst die Puste ausgeht. Aber warum ist es so schwer, regelmäßig Themen im Unternehmen einzusammeln, zu kuratieren und Inhalte aufzubereiten?
In der Theorie zeigt sich, dass Wandel anfangs immer mit Schmerzen verbunden ist. Im Dreiphasenmodell von Lewin (1. Unfreeze, 2. Change, 3. Refreeze) leidet die Betriebsleistung vor allem in oder ab der zweiten Phase. Andere Modelle ordnen der Veränderungsphase emotionale Schmerzen zu. Schock, Ablehnung und sogar Depression fallen regelmäßig als Schlagworte zur Gemütsbeschreibung der Belegschaft.
Der Schweinehund ist ein Gewohnheitstier
Die Veränderung, das Unbekannte, setzt viele von uns unter Stress. Den wollen die meisten von uns vermeiden, und es sich lieber mit dem Schweinehund auf der Couch gemütlich machen. Untersuchungen haben gezeigt, dass lediglich rund fünf Prozent der MitarbeiterInnen als Promotoren des Wandels gelten und Veränderung generell eher aufgeschlossen gegenüberstehen. Die überwiegende Mehrheit der Belegschaft reagiert auf Change-Prozesse hingegen skeptisch bis ablehnend; sie interpretiert das Neue als Angriff auf das Alte. Nicht selten reichen die negativen Abwehrreaktionen bis hin zum aktiven Wiederstand.
Mit interner Kommunikation das ganze Team abholen
Diese negative Einstellung lässt sich ein gutes Stück weit mit aktiver interner Kommunikation in den Griff bekommen. Neben der Organisation und der Steuerung der neuen Prozesse, also dem Change- und Projektmanagement, bedarf es einer sorgfältigen begleitenden Kommunikation zur neuen Content-orientierten Stoßrichtung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Change mittragen und die neuen redaktionellen Arbeiten umsetzen sollen, müssen den Mehrwert des Wandels en Detail verstehen.
Es ist schön und gut, wenn Marketingverantwortliche sich über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten individueller, glaubwürdiger redaktioneller Inhalte für Unternehmenszwecke im Klaren sind. Doch auch der Rest des Unternehmens muss verstehen, dass neue Marketing- und Kommunikationsformen essenziell für die eigene Position am Markt sind. Denn auch dieser „Rest“ des Unternehmens ist als Themen- und Ressourcenquelle wichtig für einen reibungslosen Contentfluss, der ein Unternehmen ganzheitlich und authentisch abbildet.
Content-Mehrwerte transparent machen
Stellen Sie der Belegschaft gegenüber die Vorteile von Content-Marketing und redaktioneller Denke in Unternehmen dar.
Beschreiben Sie, warum stetig neu produzierte Inhalte für Ihre Kanäle – von der Homepage bis zu Sozialen Netzwerken – bereichern und wie dies Einkäufer auf Ihr Business aufmerksam macht.
Erklären Sie, warum ein informatives Print-Magazin mit redaktionell aufbereiteten Inhalten zwar vergleichsweise aufwendig ist, aber in der Wertschätzung der Kunden und Interessenten ganz weit oben steht.
Stellen Sie klar, dass guter Content an allen Touchpoints entlang der Customer Journey die Kundenbindung steigern kann – auch wenn das im Moment auch ganz passabel so klappen sollte.
Betonen Sie die belegte Wirkung von gut aufbereiteten Referenzgeschichten für die erfolgreiche Vertriebsarbeit.
Schließlich bringt Content auch die Arbeitgebermarke im Kampf um die besten Köpfe nach vorn.
Unterstreichen Sie auch, was passiert, wenn Inhalte fehlen. Dann nämlich werden nur sehr schnell die Mitbewerber als cooler, hotter, smarter wahrgenommen, oder ganz einfach nur leichter gesehen.
Fazit und Arbeitsimpulse
Sie haben verinnerlicht, dass Content Ihrem Unternehmen weiterhilft, aber das ist nur die halbe Miete, denn:
– Die Einführung einer wie geschmiert laufenden Content-Produktion klappt in jedem Fall nicht nebenbei, und
– Auch der Erfolg stellt sich nicht automatisch ein.
Behalten Sie daher im Verlauf Ihres Change-Prozesses hin zu mehr Content die nachstehenden Impulse im Hinterkopf.
- Fördern Sie bei Mitwirkenden und Mitarbeitern das fachliche Verständnis und motivieren Sie.
- Am Anfang können Sie gerne groß denken, aber fangen Sie bitte klein an.
- Erzielen Sie erste Ergebnisse schnell und machen Sie Erfolge sichtbar.
- Folgen Sie dem KISS-Prinzip – keep it simple and smart.
- Sichern Sie sich die Rückendeckung von Entscheidern – die geben Arbeitszeit frei.
- Halten Sie sich anfangs an die Promotern und planen Sie Ablehnung und Widerstand an anderer Stelle mit ein.
- Bei aller Arbeit: Change soll Spaß machen! Wir nennen es die HINZU-Bewegung.
- Planen Sie Zeit zum Lernen und Reflektieren ein. Weeklys oder Reviews bieten sich als Format an.